Ein Blogbeitrag von: RA'in Anne Pehlke, LL.M.
Ich habe gerade einen sehr interessanten Artikel zur Zusammenarbeit zwischen Justiz und Medizin im Klinikalltag gelesen. Hierbei werden die Schnittpunkte zwischen Ärzten und auch Pflegepersonal im Krankenhaus und Betreuern/Bevollmächtigten sowie Betreuungsrichter näher dargestellt. Da wir im Verein genau diese Disziplinen miteinander verbinden, möchte ich den Artikel gern zusammenfassen. Den ganzen Artikel finden Sie in der Juris, Die Monatszeitschrift, Ausgabe Januar 2017, S. 2 – 6, Titel: „Justiz trifft Medizin im klinischen Alltag“ von Dir. d. AG Bernd Klasen und Fachärztin Christine Klasen.
Einwilligung
Zunächst wird in dem Artikel darauf eingegangen, dass grundsätzlich eine Einwilligung in die medizinische Maßnahme erforderlich ist. Voraussetzung hierfür ist die umfassende Aufklärung, welche in § 630e BGB näher konkretisiert wird. Die Autoren mussten dabei feststellen, dass dieses Recht der Patienten im Alltag - offenbar auch je nach medizinischer Fachrichtung - divergierend unterschiedlich stark gelebt wird. Kommunikation sei auch hier das A und O. Dabei ist den Autoren durchaus bewusst, dass diese bedingt durch den Zeit- und Arbeitsdruck der medizinischen Fachabteilungen oft leidet. Die Autoren weisen darauf hin, dass es bei der Aufklärung nicht nur darum gehen kann, Haftungsfälle zu vermeiden. Vielmehr sollte ein solches (Aufklärungs-)Gespräch eine vertrauensbildende Maßnahme im Arzt-Patienten-Verhältnis darstellen. Dies diene dem Behandlungserfolg. Auf der anderen Seite sollten die Juristen den Umfang der Aufklärung nicht überdehnen. Man muss sich dabei immer vor Augen führen, was der Sinn und Zweck der Aufklärung ist: Dem Patienten die Möglichkeit geben, eine selbstbestimmte Entscheidung treffen zu können. Werden beispielsweise Umstände erst während der Operation bekannt, könne hierüber im Vorhinein keine Aufklärung erfolgen.
Im Klinikalltag haben Ärzte regelmäßig auch mit nicht einwilligungsfähigen Patienten zu tun. Einwilligungsfähigkeit liegt vor, wenn der Patient in der Lage ist, das Für und Wider der geplanten Maßnahme abzuwägen. Wenn es hieran fehlt, ist eine Entscheidung eines gesetzlichen Betreuers, des Bevollmächtigten oder notfalls des Betreuungsgerichtes einzuholen. Hierbei ist vorrangig eine wirksame Vorsorgevollmacht/Patientenverfügung zu beachten. In allen Fällen ist neben den vorgenannten Personen stets - soweit möglich -, auch der Patient aufzuklären. Die Autoren machten in diesem Zusammenhang die Erfahrung, dass die Betreuer/Bevollmächtigten oftmals lediglich einen Aufklärungsbogen übersandt haben wollten und diesen unterschrieben zurückgaben. Von dieser Praxis raten die Autoren dringend ab. Denn Aufklärung setze immer mündliche Kommunikation voraus. Dies gelte natürlich nur, insoweit eine solche im konkreten Einzelfall darstellbar ist. Die Autoren warnen ausdrücklich davor, bei einem verhinderten Betreuer auf dessen Vertreter zuzugehen. Da der Grundsatz der persönlichen Betreuung gilt, ist grundsätzlich nur der bestellte Betreuer der Ansprechpartner. Eine praktikable Lösung hierfür ist seitens des Betreuers die Bestellung eines Ersatzbetreuers für den fraglichen Zeitraum und seitens der Ärzte die Einholung einer Einwilligung zu einer ärztlichen Maßnahme durch das Betreuungsgericht.
Freiheitsentziehende Maßnahmen
Die Autoren gehen sodann auf die freiheitsentziehenden Maßnahmen ein. Hierbei stellen Sie fest, dass im klinischen Alltag der Irrglaube herrsche, dass eine freiheitsentziehende Maßnahme für eine
gewisse Zeit auch ohne richterliche Genehmigung möglich sei. Dies ist in dieser Pauschalität falsch. Es muss immer der Einzelfall betrachtet werden. Jedenfalls halten die Autoren fest, dass es
dann keiner richterlichen Genehmigung bedarf, wenn
- der Patient selbst einwilligungsfähig ist und selbst über die Maßnahme entscheiden kann,
- der Patient ohnehin bewegungsunfähig, weil z.B. bewusstlos ist,
- ein Durchgangssyndrom (Delir) vorliegt und zu erwarten ist, dass die Notwendigkeit der Fixierung innerhalb weniger Stunden entfällt.
Bei der Einholung einer richterlichen Genehmigung ist es notwendig, dass ein aussagekräftiges ärztliches Attest vorliegt, aus welchem sich sowohl die Diagnose als auch die Gründe der
Selbstgefährdung entnehmen lassen. Zudem sollte dargestellt werden, warum andere, weniger einschneidende Maßnahmen nicht zielführend sind. Auch sollte daran gedacht werden, dass durch eine
freiheitsentziehende Maßnahme zusätzliche Gefahren entstehen können - hierzu sollte eine Aussage getroffen werden. Wird ein derart ausführliches Attest erstellt, so kann das Betreuungsgericht in
der Regel - ohne weitere Hinzuziehung eines weiteren Arztes - eine Entscheidung treffen. Dies mag zwar im ersten Moment mehr Arbeit verursachen, spart aber später die Zeit, die notwendig wird, um
Rückfragen zu beantworten.
Rechtsanwalt und Richter im Klinikalltag
Nach den Erfahrungen der Autoren werden (Berufs-)Betreuer/Bevollmächtigte und Richter häufig als Störfaktoren betrachtet, insbesondere wenn sie sich einen Eindruck vor Ort vom Patienten verschaffen wollen. Dies ist jedoch oftmals notwendig, um im Interesse des Patienten eine fundierte Entscheidung treffen zu können. Zudem ist dies für die Richterschaft zwingend vorgeschrieben. Durch Kommunikation kann auch hier ein Vorteil für beide Seiten entstehen: Die Ärzte können eine klare Entscheidung treffen, sind abgesichert und die Richter und Betreuer/Bevollmächtigten können im Wohle des Patienten entscheiden. Es ist auch durchaus denkbar, dass die Mediziner sich einen sog. Negativattest einholen, also die Entscheidung des Gerichtes, dass eine Einwilligung in diesem Fall gar nicht notwendig sei. Auch das Negativattest bietet Rechtssicherheit.
Betreuung / Vollmacht
Die Autoren warnen in dem Artikel davor, bei Vorhandensein einer Betreuung oder Vollmacht den Patienten außen vor zu lassen. Insbesondere ist zu prüfen (im Zweifel über ein neurologisches, psychiatrisches Konzil), ob der Patient einwilligungsfähig ist. Dann muss der Patient selbst entscheiden. Aber auch bei fehlender Einwilligungsfähigkeit soll der Patient immer einbezogen werden. Liegt allerdings weder eine wirksame Vorsorgevollmacht/Betreuung vor und duldet die medizinische Maßnahme keinen Aufschub, so dass auch ein vorläufiger Betreuer im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht bestellt werden kann, darf eine Maßnahme ausnahmsweise ohne Einwilligung durchgeführt werden. In diesen Fällen ist der mutmaßliche Wille des Patienten maßgeblich.
Zu beachten ist, dass der Betreuer/Bevollmächtigte nicht rund um die Uhr erreichbar sein muss. Andererseits kann auch auf Seiten des medizinischen Personals erwartetet werden, dass für gravierende medizinische Entscheidungen eine Erreichbarkeit des Betreuers gegeben ist. Dies erfordere stetige Kommunikation zwischen den Beteiligten. Bleibt ein Betreuer unerreichbar, so ist im Einzelfall seine Eignung zu überprüfen.
Überlassung der Krankenakte
Immer mehr Patienten bitten nach Abschluss des Krankenhausaufenthaltes um die Überlassung der Krankenakte. Ein Anspruch auf Ablichtung selbiger ist in der Kodifikation der höchstrichterlichen Rechtsprechung durch das Patientenrechtegesetz gem. § 630g BGB konkret normiert. Dies ist nicht nur für Haftungsfälle, sondern für die Nachbehandler vielfach sinnvoll. Dem Recht auf vollständige Akteneinsicht ist unverzüglich nachzukommen. Ausnahmen sind allenfalls (erhebliche) therapeutische Gründe des Arztes und sonstige Rechte Dritter, die entgegenstehen. Hierunter fällt jedoch nicht das Recht des Verfassers an seiner eigenen Aufzeichnung.
Ich hoffe, Sie durch diese Zusammenfassung neugierig gemacht zu haben. Dieser Artikel zeigt, von welch hoher Relevanz die interdisziplinäre Kommunikation ist und wie stark Juristen und Mediziner von einer kommunikativen Zusammenarbeit profitieren.
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Menschenrechtler (Mittwoch, 05 Juni 2019 22:40)
Durch Wahlen wäre die Staatsgewalt vom Volk legitimiert, siehe Internet. Dabei wurde Übersehen, dass Macht den Charakter verändert und zum Lügen und zum Sadismus verführt (s. Internet) und damit Kriminelle in Wirtschaft, Medizin und Justiz legitimiert sind und Parteien Systemfehler nicht beseitigen können, s. https://youtu.be/AKl0kNXef-4, https://www.gruene-bundestag.de/parlament/bundestagsreden/2009/juli/jerzy-montag-achtung-der-grundrechte.html, https://www.youtube.com/watch?v=dgsNB8JKDd8. Zusätzlich wurde übersehen, dass Gewaltenteilung wegen Lobbyismus, Behördenegoismus, Gruppenegoismus, Kastendenken (siehe z.B. http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/12/013/1201338.pdf) kaum funktionieren und es wurde gestattet, dass Lobbyisten beim Parlament „das Sagen“ haben- https://www.youtube.com/watch?v=y5FiOrJClts. So wird das Zulassungssystem von der Industrie manipuliert, Geld zählt mehr als Menschenleben, siehe arte-Video „unser täglich Gift“- https://www.youtube.com/watch?v=qnwi4_fXS5Q, http://news.doccheck.com/de/228007/implantate-immer-mehr-todesfaelle/, zu Computertomografien https://www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Atomenergie/Krebs_nach_niedrigen_Strahlendosen.pdf. Bestimmungen wie unter https://www.thieme.de/statics/bilder/thieme/final/de/bilder/tw_radiologie/Hoelting_Das-neue-Patientenrechtegesetz-Umsetzung-und-Aufklaerung-in-der-Radiologie.pdf werden erfahrungsgemäß ignoriert. „Was nützt der beste Rechtsstaat auf dem Papier, wenn er in die Köpfe und die Herzen der Menschen, die ihn vertreten sollen, keinen Eingang finden kann?“ (s. Internet). Gerichtlichen und behördlichen Entscheidungen fehlt zumeist eine plausible Begründung, oft sogar die Sachbezogenheit- https://unschuldige.homepage.t-online.de/. Rechtsbeugungen sind systemkonform, vgl. http://www.hans-joachim-selenz.de/kommentare/2008/justiz-sumpf-deutschland.html. Das Bundesverfassungsgericht vertuscht das mit Erfolgsquoten von 0,2 bis 0,3 %- https://www.amazon.de/Das-Recht-Verfassungsbeschwerde-NJW-Praxis-Band/dp/3406467237. Lobbyisten wollen somit schnelles Geld und Macht, haben dabei keine Achtung vor Menschenleben. Durch Zulassung von Volksabstimmungen könnte dem Lobbyismus entgegengewirkt werden. Das will die herrschende Lobby allerdings nicht.