BSG-Rechtsprechung: Modus bzgl. der Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für Honorarärzte

Am 31. Oktober 2012 hat das Bundessozialgericht (BSG) drei Urteile zur Befreiung von der Rentenversicherungspflicht erlassen. Diese Urteile sorgen vor allem in ärztlichen Kreisen für Aufsehen. Diverse Institutionen, unter anderem die Ärztekammern, sahen sich veranlasst, zügig Stellungnahmen abzugeben, unter welchen Voraussetzungen welche Arztgruppen einen (erneuten) Antrag auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht zu stellen haben. Im Ergebnis darf festgehalten werden, dass diese Urteile Honorarärzte wohl nur dann betreffen, wenn sie neben ihrer selbständigen Tätigkeit auch in abhängigen Anstellungsverhältnissen tätig sind.

 

Insbesondere bezüglich einer honorarärztlichen Tätigkeit wird zum Teil die Meinung vertreten, dass bei jeder erneuten Tätigkeitsausübung für diese ein Befreiungsantrag bei der Rentenversicherung zu stellen sei. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Darüber hinaus kann sie so den Urteilen des BSG nicht entnommen werden.

Lohnenswert ist daher ein näherer Blick auf die Urteile, die allerdings noch nicht im Volltext publiziert wurden. Als Bewertungsgrundlage dienen daher die Pressemitteilungen des BSG (Presse-Mitteilung Nr. 56/12 vom 1.11.2012).

 

Im Einzelnen geht es um die folgenden drei Urteile des BSG:

1. - B 12 R 8/10 R;
2. - B 12 R 3/11 R;
3. - B 12 R 5/10 R.

 

Im ersten Fall (B 12 R 8/10 R) hat ein Steuerberater seine Zulassung niedergelegt, um danach als geringfügig Beschäftigter in einer Steuerberaterkanzlei zu arbeiten. Er war der Auffassung, dass sich seine bisherige Befreiung von der RV-Pflicht als Steuerberater auch auf die geringfügige Beschäftigung erstrecke.

 

Im zweiten Fall (B 12 R 3/11 R) arbeitete ein ehemaliger Arzt im Praktikum (wohl) nach dieser Tätigkeit als Pharmaberater und vertrat die Auffassung, dass die Tätigkeit als Pharmaberater gleichfalls eine ärztliche Tätigkeit und von der bestehenden Befreiung umfasst sei.

 

Im dritten Fall (B 12 R 5/10 R) vertrat eine zuerst als Tierärztin an einer Universitätsklinik arbeitende Klägerin die Meinung, dass ihre spätere Tätigkeit als Pharmaberaterin von dieser Befreiung umfasst sei.

 

In den Urteilen ist der Aussagegehalt insofern gleich, als dass bei einem Beschäftigungswechsel eines von der Rentenversicherungspflicht Befreiten ein erneuter Befreiungsantrag von der RV-Pflicht zu stellen sei. Allen drei Urteilen liegt der Sachverhalt zugrunde, dass die jeweils Betroffenen einen erheblichen Bruch in Ihrer bisherigen Erwerbsbiographie vollzogen haben. Denn die Kläger haben aus einer Tätigkeit, aufgrund derer sie Angehöriger einer berufsständischen Kammer wurden, in ein Arbeitsverhältnis gewechselt, aufgrund dessen sie nicht mehr kammerangehörig waren. Die Kläger waren gleichwohl der Ansicht, dass ihre jeweilige RV-Befreiung, die sich im zweiten und dritten Fall auf die eine ärztliche und im ersten Fall auf eine anderweitige selbständige, freiberufliche Tätigkeit bezog, auch zukünftig Geltung besitzen würden.

 

Diesen Auffassungen wurden seitens des BSG zu Recht jeweils abschlägig beschieden. Zur Begründung orientiert sich das Gericht am Wortlaut des Gesetzes. Nicht erkennbar ist dabei, wie von verschiedenen Seiten geäußert, dass der gesetzliche Wortlaut zu eng auslegt wird.

 

Bedeutsam sind die folgenden beiden Regelungen:

§ 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI

  

"(1) Von der Versicherungspflicht werden befreit
1. Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn
a)  am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1. Januar 1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat,
b)  für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und
c) aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist […]“

 

und § 6 Abs. 5 SGB VI

 

"(5) Die Befreiung ist auf die jeweilige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit beschränkt. Sie erstreckt sich in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 und 2 auch auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist und der Versorgungsträger für die Zeit der Tätigkeit den Erwerb einkommensbezogener Versorgungsanwartschaften gewährleistet."

 

Werden die Sachverhalte der drei vorstehenden Fälle unter diese Regelungen subsumiert, gelangt man zwangsläufig zu dem Ergebnis des BSG. Fraglich ist, was in der Konsequenz dies für den einzelnen Honorararzt bedeutet.

 

Entgegen der häufig geäußerten Ansicht, dass der Honorararzt für jeden Auftrag einen neuen Befreiungsantrag bei der DRV stellen muss, ist es ausreichend, einmal vor Beginn der selbständigen ärztlichen Tätigkeit einen Befreiungsantrag für diese zu stellen. Unerheblich ist, ob es sich um die selbständige ärztliche Tätigkeit eines niedergelassenen Arztes oder die eines Honorararztes handelt. Ein Wechsel zwischen den beiden Modalitäten der Berufsausübung bleibt gem. § 6 Abs. 5 SGB VI ebenso möglich wie die parallele Ausübung beider Formen der Berufsausübung.

 

Gem. § 6 Abs. 5 SGB VI heisst es: "Die Befreiung ist auf die jeweilige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit beschränkt. […]"

 

Es wäre in der Tat eine zu enge Auslegung des Wortsinnes des § 6 Abs. 5 SGB VI, wenn die selbständige Tätigkeit nur den jeweiligen Auftrag betreffen würde. Eine solche Auslegung wäre vom Zweck und Sinn des Gesetzes nicht gedeckt, da dieses deutlich zwischen einer (abhängigen) Beschäftigung und einer selbständigen Tätigkeit unterscheidet.

 

Allerdings müssen Ärzte in Angestelltenverhältnissen, mithin in Beschäftigungen i.S.d. § 6 SGB VI, bei Wechsel der Anstellung nach diesen Urteilen des BSG von nun an stets einen neuen Befreiungsantrag hinsichtlich ihrer RV-Pflicht stellen. Für angestellte Ärzte bedeuten die drei Urteile eine Änderung der bisherigen Praxis insofern, als dass ein Arzt sich bislang mit dem Beginn seiner beruflichen Tätigkeit von der RV-Pflicht grundsätzlich befreien lassen konnte. Zukünftig muss der Antrag bei jedem Wechsel unter Einhaltung der dreimonatigen Frist des § 6 Abs. 4 SGB VI gestellt werden. Die bisherige komfortable Verwaltungspraxis der DRV-Bund ist beendet worden.

 

Eine Befreiung für Tätigkeiten, welche nicht den Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI entsprechen, ist nicht möglich. Unklar ist, wie mit Altfällen verfahren werden soll, mithin mit den Fällen in denen vor diesen Urteilen die Beschäftigung gewechselt und kein erneuter Befreiungsantrag gestellt worden ist.

 

Markus Keubke, Fachanwalt für Medizinrecht, LL.M. Erfurt

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